Reinhold Schlötterer

Wir Studenten verdanken ihm viel, auch wenn wir das seinerzeit oft nicht gleich einsahen. Er kam aus einer anderen Zeit, die wir nicht mehr ganz verstanden, deren Werte wir kaum noch teilen wollten. Er war da wohl toleranter, großzügiger, humorvoller, als es im Moment den Anschein hatte, wenn er oft kauzig, knarzig und etwas verschroben wirkte. Aber er widerstand eisern der Versuchung, es der nachwachsenden Generation einfacher zu machen. Manchmal hatte man den Eindruck, er wolle alles im Gegenteil noch etwas schwieriger machen, als es sein müsste, gerne auch ein wenig mystifizieren. Das sah für einen jungen Studenen aus wie Vernebelungstaktik, erst später verstand man, worum es ihm ging. Und irgendwie hat er es geschafft, ein drängendes Bedürfnis zu entwickeln, selber weiterzumachen und andere zu begeistern. "Man kann sich mit allem Möglichen sinnvoll beschäftigen", sagte er. "Aber die Musik lohnt es, dass man sich ein Leben lang mit ihr befasst." Sein größtes Verdienst war dennoch, dass er sich aufs Wesentliche, ihm Sichere konzentrierte, kaum der Gefahr professoraler Eitelkeit erlag und nicht nach dem Applaus der Studenten schielte. Das zeichnete ihn wohl auch als Mensch aus. Ich habe bis jetzt keinen seriöseren Musikwissenschaftler kennengelernt.