Gennadij Gruschewoj

Gennadij Gruschewoj

* 24.07.1950 in Minsk
† 28.01.2014 in Minsk
Erstellt von Marina Grusevaja
Angelegt am 08.02.2014
20.082 Besuche

Kondolenzen (4)

Sie können das Kondolenzbuch nutzen, um den Angehörigen Ihr Beileid zu bekunden, Ihrer eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen oder um dem Verstorbenen einige letzte Worte des Abschieds mitzugeben.

Kondolenz

Last Message and Testament by Gennady Grushevoi

24.02.2014 um 22:14 Uhr

When about five years ago I learned that I had leukemia DNA structural damage — I realized that I was blessed because I would die of what I have been fighting with all my life. However, I will not give Chernobyl any chances. And I would like to end my life fighting the battle which started in 1986 on April 26 and which I have been fighting ever since for the last 27 years.

I am still with the people for whom I have been working all the time after Chernobyl. My departure is the most logical completion of my life, it is the providence granted to me by God. And I accept it as a soldier at war as I do believe that it is worthier to fall in battle rather than die of malaria in the rearward.

Hopefully my life and death will be able to convince someone that Belarus has no future if Chernobyl aftermaths are ignored. It is no use cherishing illusions of hiding or running away from that tragedy. Therefore the state must take up Chernobyl most seriously. Only then the nation might get some hope for salvation.

In my time I used to fight for post-Chernobyl Belarus and today half of Europe is fighting for me offering me the medication I was not ableto offer to my ailing fellow citizen. And I promise to work off my debt in full …And his full commitment to help the affected people continued also during almost 5 years of his illness. Until his very last day.

* Gennady Gruschewoj died on 28th of January 2014. Two weeks before his death, he passed to his friend Marat Haravy (Journalist of Novy Chas) a message to the Belarusian society, asking him to publish it after his death. The text was published in the Internet newspaper 'Solidarnost '' on January 28, 2014.

Kondolenz

Botschaft von Gennadij Gruschewoj

10.02.2014 um 22:34 Uhr

„Als ich etwa vor 5 Jahren erfahren haben, dass ich an Leukämie - Zerstörung von DNA-Struktur – erkrankt bin, sagte ich mir: ich habe in meinem Leben Glück, weil ich sterben werde an dem, wogegen ich mein ganzes Leben lang gekämpft habe. Aber ich gebe Tschernobyl keine Chance. Ich möchte mein Leben in der Schlacht beenden, die ich am 26. April 1986 begonnen habe und die ich die letzten 27 Jahre führe. Ich bin einer von denen, für die ich nach Tschernobyl gearbeitet habe. Mein Fortgang ist eine logische Vollendung meines Lebens. Ein solcher Fortgang ist mir von Gott und vom Schicksal geschenkt worden. Ich nehme ihn wie ein Soldat im Krieg wahr, denn es ist besser während einer Angriffsattacke an der Front zu fallen, als an Malaria im Hinterland zu sterben.

Vielleicht werde ich mit meinem Schicksal jemanden überzeugen, dass Belarus keine Zukunft hat, falls die Folgen von Tschernobyl ignoriert werden sollten. Man darf nicht hoffen, dass es möglich ist, sich von dieser Tragödie zu verstecken oder von ihr zu fliehen. Das ist der Grund, warum der Staat verpflichtet ist, sich mit Tschernobyl auf ernste Weise auseinanderzusetzen. Erst dann könnte die Nation eine gewisse Hoffnung auf die Rettung haben. In meiner Zeit habe ich um das Post-Tschernobyl-Belarus gekämpft. Und heute kämpft die Hälfte von Europa um mich, indem die Europäer mir solche Medikamente geben, die ich den kranken Belarussen nicht geben konnte. Und diesen Vorteil muss ich jetzt voll abarbeiten…“ Und seinen vollen Einsatz für die betroffenen Menschen setzte er während seiner Krankheit fort. Bis zum seinem letzten Tag.  

 

*Gennadij Gruschewoj ist am 28. Januar 2014 verstorben. Zwei Wochen vor seinem Tod hat er seinem Freund Marat Haravy (Journalist von Novyj tschas) seine Botschaft an die belarussische Gesellschaft übergeben, mit der Bitte sie erst nach seinem Ableben zu publizieren. Der Text wurde in der Internet-Zeitung „Solidarnost‘“ am 28.01.2014 veröffentlicht.

Kondolenz

Nachruf von Valentina Smolnikowa, Vorsitzende der wohltätigen gesellschaftlichen Vereinigung „Helfen wir den Kindern von Tschernobyl“ im Kreis Buda-Koschelowa.

10.02.2014 um 22:31 Uhr

Wir trauen um unseren lieben Gennadij Gruschewoj und gedenken seiner in Dankbarkeit. Die wohltätige gesellschaftliche Vereinigung „Helfen wir den Kindern von Tschernobyl“ im Kreis Buda-Koschelöwa zählt 86 Freiwillige.  Die gesamte Organisation trauert mit all denen zusammen, die Gennadij Gruschewoj kannten.

Da ich viele Jahre mehr als alle anderen Buda-Kaschelöwer mit Gennadij arbeitete und kommunizierte, schreibe ich über ihn mein Wort des Gedenkens.

Seine Lebensheldentat begann in der post-kommunistischen nach-Tschernobyl Periode in den Anfängen der belorussischen Wiedergeburt. In jener Zeit suchten aktiv viele hervorragende Patrioten von Belarus, Menschen von verschiedenen Berufen - Politiker, Wissenschaftler, Diplomaten, Journalisten, Ärzte, Kulturschaffende – nach den Wegen aus der entstandenen materiellen und geistigen Krise. Unter ihnen war auch der Universitätsprofessor Gennadij Gruschewoj.

Jetzt als er von uns fortgegangen ist, verstand ich plötzlich, dass all diese Jahre wir neben einem Propheten lebten und arbeiteten. Ausgerechnet durch ihn ist es uns gegeben worden, die tiefe ethische Dimension der stattgefundenen Atomkatastrophe zu begreifen. Nicht umsonst verliefen die Tschernobler Märsche, an deren Organisation Gennadij Gruschewoj aktiv teilnahm, und internationale Kongresse, die er initiierte und durchführte, mit Teilnahme der Geistlichen verschiedener Konfessionen. Diese Veranstaltungen wurden von dem „Gebet über die Rettung der Opfer der Atomkatastrophe in Tschernobyl“ begleitet, das Philaret einst verkündete.

Gennadij Gruschewoj ist gegeben worden zum ersten Mal in Belarus eine echte nicht staatliche gesellschaftliche Vereinigung die Stiftung „Den Kindern von Tschernobyl“ e. V. zu schaffen, die zum Sprachrohr der Betroffenen wurde. Die Stimme der Organisation - die Stiftung „Den Kindern von Tschernobyl“ e. V. - vernahm die ganze Welt. Eine leidenschaftliche Sorge um die Zukunft, um das Schicksal der Kinder von Belarus, Aufruf zur dringenden Hilfe und zur Rettung der Kinder fanden Widerhall in den Herzen der Menschen in verschiedenen Ländern. Von Kanada, über Amerika, Deutschland, Norwegen, Großbritannien, bis Indien und Japan fand er mit seiner Organisation Unterstützung, weil das Ziel kristall-klar und die vorgeschlagenen Methoden der Umsetzung äußerst ehrlich waren.

Wer hat es in Belarus noch geschafft, ohne administrative und staatliche Ressourcen heranzuziehen, im Laufe von Jahrzehnten Tausende von Projekten zu realisieren, die auf die Hilfe für die Betroffenen Regionen, für die Familien und Einrichtungen gerichtet waren? Wem noch ist es gelungen, den Kindern von Belarus die ganze Welt zu eröffnen und der Welt das Land Belarus? In jener Zeit gab es in unserem Kreis Buda-Koschelöwo des Gomeler Gebiets praktisch keine einzige Familie, die die Hilfe durch die Stiftung „Den Kindern von Tschernobyl“ e. V. in der einen oder anderen Form nicht bekommen hätte. Gennadij Gruschewoj hatte viele Nachfolger, aber eine Persönlichkeit, die ihm ebenbürtig wäre, ist bis heute nicht erschienen.

Er wurde geliebt und ihm wurde geholfen, er wurde beneidet, man hat ihn gestört, gehasst und verraten, diffamiert und man hat versucht ihn von der Gesellschaft zu isolieren. Aber die höheren Kräfte haben ihm durch gute Menschen geholfen fortzusetzen, den Weg zu markieren. Jetzt sind besonders deutlich die Figuren von denen zu sehen, die unermüdlich und konsequent Hindernisse und Schwierigkeiten bereiteten, auf dem Weg des Menschen und der von ihm angeführten Bewegung. Das Übel und das Gute gehen immer neben einander.

Nach seinem Beruf war Gennadij Gruschewoj ein Universitätspädagoge. Er ist zum Lehrer geworden für sehr viele, die ihn gehört haben und die mit ihm zusammen schritten, sei es Akademiemitglied, Student, Arzt, Arbeiter, Pastor, Militärangehöriger, ein Belarusse, ein Deutscher oder ein Italiener. Er lehrte alle die Liebe zum Nächsten und war selbst ein Vorbild dafür, wie man den Nächsten mehr als sich selbst lieben kann und soll. Er lehrte die Angst zu überwinden, die Sklaverei, die in uns Belarussen auf der genetischen Ebene veranlagt ist; er lehrte uns die Opferpsychologie zu überwinden und bewog uns zu Selbsthilfe und zur gegenseitigen Hilfe. Er war ein freier Mensch und rief alle auf, den Weg, der zu Freiheit führt, einzuschlagen. Das Instrument seiner Lehre war das Wort, das eine enorme schöpferische Kraft besaß. So wurde er zum Meister. Zusammen mit den Gleichgesinnten schuf er Zukunftswerkstätten und Jugendzentren, organisierte Jugendfestivals und Foren. In ihnen herrschte der Geist der kollektiven Kreativität, der Geist der Gleichheit und der Partnerschaft. Sie vereinigten und begeisterten die jungen Leute zu neuen gesellschaftsnützlichen Taten. Dort durch die Bemühungen der Jugendlichen materialisierten sich verschiedene fortschrittliche, ökologische und humanitäre Ideen.

Gennadij Gruschewoj war ein vielseitig gebildeter, weiser Mensch. Als Parlamentsabgeordneter des Obersten Sowjets beteiligte er sich aktivst an der Schaffung und Verabschiedung von vielen Gesetzen, darunter auch die Gesetze über den sozialen Schutz der Bürger, die von Folge der Tschernobyl-Katastrophe betroffen sind.

So lange dieses Gesetz wirkte, waren die Menschen richtig geschützt. Er war ein mutiger Mensch, ein Kämpfer. Aber er kämpfte immer „FÜR“. Für die Wahrheit, für die Gesundheit, für die Freiheit, für den Fortschritt. Gegen seine Krankheit kämpfte er auch sehr mutig, er blieb stark bis zur letzten Minute seines Lebens.

Er war ein Stern, der auf der Erde in Minsk geboren wurde. Seine Wärme und sein Licht wärmten eine Million seiner Landsleute. Die Funken von diesem Stern flogen durch ganz Belarus und auch in die anderen Länder, und sie leuchten bis heute.

Gennadij Gruschewoj kam auch oft in unsere Stadt. Er interessierte sich für unsere Arbeit, er half uns, gab uns Anstöße zur Selbstständigkeit und Kreativität.

Sein irdisches Leben ist zu Ende gegangen. Die Sache, die er in den weit entfernten 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen hatte, ist aber nicht zu Ende. Dank seiner Bemühungen wird es niemanden mehr gelingen bei  Atomkatastrophen die Menschen zu betrügen. Die Betroffenen haben heute eine wissenschaftliche Basis, die den Schutz aller Menschen auf dem Planeten ermöglicht.

Wir verneigen uns vor seinem Lebenswerk und sprechen unsere aufrichtige Anteilnahme der Familie von Gennadij Gruschewoj aus. Wir trauern mit all denen, für die er lebte und arbeitete, denn wir alle sind auch ein Teil seiner Familie, seines Schicksals, unseres geliebten Belarus.