Jan Lüders

Jan Lüders

* 02.10.2003 in München
† 08.02.2018 in München
Erstellt von Renate Lüders
Angelegt am 16.02.2018
11.340 Besuche

Über den Trauerfall (4)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Jan Lüders, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

27.02.2018 um 17:26 Uhr von Renate
Foto 1 für Jan Lüders

16.02.2018 um 21:39 Uhr von Renate
Foto 2 für Jan Lüders

27.02.2018 um 17:05 Uhr von Renate
Foto 3 für Jan Lüders

Jan

16.02.2018 um 21:12 Uhr von Renate

 

Jan ist am 8.2.2018 Zuhause eingeschlafen und ist nun bei seinem Vater

 

 
Sophias Ansprache

Ich möchte mich auch nochmal sehr herzlich bedanken bei all den Menschen die in letzter Zeit bei mir waren, für mich da waren und mir gezeigt haben das ich nicht alleine bin.

Insbesondere nach meinem Post auf Instagram habe ich gemerkt wie viele Menschen so eine Krankheit und so ein Schicksal berührt, und wie viele offene Herzen es auf dieser Welt gibt die einem zuhören und sich um einen sorgen.

Ich hätte nie im Leben gedacht, das so viele Menschen auf uns zukamen und uns unterstützt haben und dafür bin ich so unendlich dankbar.

Auch wenn ich es nicht oft gezeigt habe, und mein Leben so gut es ging wie ein normales Mädchen weitergeführt habe, hat es mich doch auf sehr belastet.

Ich habe jetzt körperlich zumindest keinen Bruder mehr, keinen der mir sagt ich darf seine Schuhe nicht anziehen, keinen der mich frägt ob ich mit ihm Fifa spielen will wenn ich aus der Schule komme und keinen der mir Nachts um 2 schreibt ich soll ihm jetzt Nudeln mit Tomatensoße kochen.

Einige von euch haben es sicher schon gelesen, aber wenn ich ihm jetzt etwas sagen könnte würde ich ihm sagen ich wünschte wir könnten alles von vorne erleben.

Alle glücklichen und alle traurigen Momente.

Sein lachen hören, mit ihm mit meinen Kuscheltieren den Hoppels spielen, ihm sagen Indianer kennen keinen Schmerz wenn wir uns mal wieder gestritten haben und ich Schuld war, und ihn einfach in meine Arme schließen.

Er war und ist so ein unglaublich bedeutender Mensch in meinem Leben, den durch ihn ist es so, so viel bunter und lebenswerter geworden.

Durch ihn bin ich zu dem Menschen geworden der ich heute bin und durch ihn habe ich gelernt wie es ist zu Lieben und das Leben zu schätzen.

Auch wenn er mein kleiner Bruder war habe ich viel aus ihm gelernt, was es bedeutet zu kämpfen und was bedeutet leben zu wollen.

Er hätte es verdient, niemand hätt er mehr verdient als er.

Das Leben ist nicht immer Fair aber ich wünsche mir von ganzem Herzen, daß er neben unserem Papa sitzt, sie wie früher zusammen Lachen und Späße machen.

Den Erinnerungen bleiben Für Immer.

 

Jan

       Erinnerungen von  Niklas  

 

Liebe Renate, liebe Sophia, lieber André, liebe Familie, Freunde und Schulkameraden, liebe Trauergäste,

 

 

Wenn ich an meinen Patenbruder Jan denke, sehe ich zuerst immer den unbeschwerten und grinsenden Jan vor mir, der in Gedanken vertieft einer Tätigkeit von offenkundig enormer Wichtigkeit nachgeht. In diesem Zustand höchster Zufriedenheit rupft er mal Gras und verteilt es nach penibel ausgearbeiteten Mustern auf der Wiese des Gartens, mal nutzte er ein nicht aufgeräumtes Spielbrett um das Spiel kurzerhand erneut zu beginnen, nach eigenen Regeln versteht sich, oder er sortiert - abgelegen in der Hocke und mit den Armen zwischen den Knien - hochkonzentriert am Strand des Gardasees Kieselsteine nach Farbe und Form.

 

Irgendwann fühlt er sich beobachtet, dreht schelmisch den Kopf und ruft ertappt „Nei-in.“

 

Wahrscheinlich war man ihm auf die Schliche gekommen und das Abspülen des Campinggeschirrs im jährlichen Surfurlaub oder ein paar Hausaufgaben standen noch aus. Für den Freigeist Jan waren diese Pflichten seit jeher lästig. Gerne hätte er von Anfang an leichtfüßig die Welt erobert und seine Beobachtungsgabe für eigene Schlüsse genutzt ohne, dass ihm jemand vorschreibt wie er sein Leben zu führen hat.

 

Jans sehr eigene Herangehensweise an ihm unliebsame Arbeiten zeigte sich zunächst in der mit einem intensiven „Nein“ eingeleiteten Antwort. Direkt im Anschluss hatte er normalerweise eine ganze Schar an Gründen, die ihn mit sofortiger Wirkung von dieser müßigen Aufgabe befreien sollten. Und erst wenn alle Versuche hilflos geblieben waren, ergab er sich seinem Schicksal.

So war Jan über gut ein halbes Jahr zur Hebung seines unausgeschöpften mathematischen Potentials einmal die Woche zum Lernen in der Forellenstraße. Böse Zungen würden es Nachhilfe nennen, aber bereits beim ersten Pflichtbesuch dieser Art erklärte Jan, es handle sich nur um einen schweren Irrtum, er könne ja sowieso schon alles. Auf die Frage was denn „alles“ sei und was in der letzten Woche behandelt worden war kam die Antwort: „Wieder nur Rechnen. Wir machen immer nur Rechnen in Mathe.“

Nach einigem hin und her einigte man sich dann auf das gemeinsame Rechnen von genau sieben Aufgaben. Jedoch nur unter der Bedingung, dass er im Anschluss eine kurze Runde Asterix & Obelix auf dem LapTop spielen darf. Das Spiel kannte er im Übrigen nicht – der Fuchs hatte nur beim aus Unaufmerksamkeit im Hintergrund geöffnet gelassenen Rechner das Icon auf dem Bildschirm erspäht und seine Schlüsse gezogen… Mit diesem Ziel vor Augen und sichtlicher Zufriedenheit über das eigene Verhandlungsgeschick demonstrierte er dann auch gnadenhalber seine mathematische Kompetenz und man konnte den Betrieb aufnehmen.

Bis auf ein paar wenige Versuche, z.B. einmal die legendären Worte „Ich habe mein Matheheft vergessen. Und mein Buch. Darf ich einen Kakao haben?“, blieb es dann bei diesem Ablauf.

 

Wahre Herausforderungen lagen für ihn weit genug außerhalb der Komfort-Zone um ihn nicht zu langweilen, aber waren trotzdem noch erreichbar genug um seinen unbändigen Ehrgeiz anzustacheln. So eine Aufgabe war zum Beispiel der Klettersteig in Bellwald im Sommer 2013. Der Steig auf an die 4.000 m verlangte absolute Schwindelfreiheit, Trittsicherheit und vor allem eigentlich eine gewisse Mindestgröße um Griffe und Tritte zu erreichen. Den gerade einmal neun Jahre alten Jan interessierte diese Faktenlage aber herzlich wenig. Mit höchster Akribie bezwang er Stück für Stück alle Passagen und glich den Nachteil seiner geringeren Körpergröße geschickt durch das Nutzen von Felsspalten, die Erwachsenen zu klein gewesen wären, aus. Am Gipfel angekommen nahm er Lob und Anerkennung der anderen Expeditionsteilnehmer zwar gerne an, der eigentliche Stolz über die erbrachte Leistung erfüllte ihn aber glaube ich von Innen.

 

Im Übrigen war Jan auch ein hervorragender Skifahrer. Bereits in sehr jungen Jahren erlernte er mit Sophia im Rahmen der Winterurlaube im bevorzugten Kirchberg die ersten Schwünge, weitete seine besuchten Skigebiete aber schnell aus. Auch das Zillertal und Bellwald waren dann nicht mehr vor ihm sicher. Auf einem Skirennen in Ostin am Tegernsee hatte er sogar den Mut sich ohne je auch nur ein Stangentraining gehabt zu haben mit Vereinsfahrern zu messen und schlug sich trotz fehlender Erfahrungen in beiden Läufen beachtlich.

 

Jans wichtigstes Hobby indes war das Fußballspielen und natürlich der FC Bayern! Die eigene Fußballkarriere fand in Waldperlach statt. Bei einem Fußballspiel gegen Trudering im Jahr 2011 waren die Kandidaten mit Feuereifer bei der Sache. Es ging wirklich hoch her.

Man verlor haushoch und Jan war wie seine Mannschaftskameraden, darunter sein guter Freund Lukas, schwer enttäuscht. Zudem schaute sein Papa, der schon ziemlich krank war, zu. Da wollte er natürlich besonders gerne gewinnen. Doch die mitgebrachten Schoko-Brownies mit Smarties und Erdbeeren sorgten schnell für das berühmte Jan-Strahlen und alles war wieder im Lot.

 

 

Das leichte Leben fand für Jan im Januar 2010 ein jähes Ende, als bei seinem Papa Martin Krebs diagnostiziert wurde. Irgendwann während der 3jährigen Krankheit seines Vaters beschloss Jan, dass er ab sofort kein Fleisch mehr essen möchte. Ein Übriges tat wohl ein Film, den er über die Schlachtung von Tieren gesehen hatte, doch er traf den sensiblen Jan mitten ins Mark. Er hat seitdem tatsächlich kein Fleisch mehr angerührt, weder seine früher so geliebten Grillwürstchen noch Spaghetti Bolognaise. Nachdem Martin gestorben war, äußerte Jan das erste Mal den Wunsch nach einem eigenen Hund.

 

Fast wirkt es im Nachhinein so, als hätte Jan für sich schon länger als alle anderen gewusst, was ihm noch bevorsteht. Als hätte er gewusst, dass viele Sachen seine Mühen gar nicht wert sind. Als ob er manche gesparte Kraft für etwas anderes brauchen würde. Als im Herbst 2016 bei ihm selbst Krebs diagnostiziert wurde, nahm er sein Schicksal an und fragte lediglich sachlich: „Wie lang habe ich noch?“ Mit unglaublicher Tapferkeit überlegte er sich ab dann immer genau, was er sich noch wünschen kann, was ihm die nächste Woche oder den nächsten Tag verschönert. Und er beklagte sich kein einziges Mal.

 

An dieser Stelle möchte ich ganz ausdrücklich im Namen von Renate neben ihrer Mutter Traudl und ihrem Bruder Peter allen Freunden danken, die in diesen ersten schweren Monaten des Klinikaufenthalts in Schwabing, der diversen Operationen in Bogenhausen und den ersten Bestrahlungen unermüdlich einen nahezu lückenlosen Wachdienst an Jans Krankenbett organisiert haben.

 

Ich weiß nicht, wie viele Bücher ihm vorgelesen wurden, wie viel Kaiserschmarrn für ihn in der Patientenküche zubereitet wurde und wie viele Päckchen Schoko-Rosinen er mitgebracht bekam…und vernaschte!

Den Vogel schoss dabei wohl mein Bruder Fredi ab, als er auf der Neurointensiv in Bogenhausen dem frischoperierten Jan ohne Rücksicht auf die älteren Patienten aus einem Witze-Buch vorlas. Jan musste so sehr lachen, dass er schließlich darum bat, nicht ganz so lustige Witze zu erzählen, weil es ihm sonst beim Lachen zu weh täte. Hinter dem Vorhang sammelte sich das Pflegepersonal und lauschte, so etwas hatten sie auf dieser trostlosen Station noch nicht erlebt.

 

Nach vielen Monaten mit verschiedenen Klinik- und Reha-Aufenthalten wurde Jans Wunsch wieder zu Hause bei der Familie wohnen und leben zu dürfen ab Frühsommer 2017 umgesetzt. Dank André waren zu diesem Zeitpunkt zumindest die wichtigsten Umbauarbeiten abgeschlossen.

Nun konnte für Jan eine Art Rückkehr in den Alltag statt finden. Ich erinnere mich hier unter anderem konkret an Bene, der kaum, dass Jan zu Hause war, in der Tür stand und nach einigen Stunden intensiven Blödelns gen Abend aus dem Spielenachmittag spontan eine Übernachtungsparty machte. Erwähnenswert ist das deswegen, weil Jan zu diesem Zeitpunkt bereits rund um die Uhr Hilfe von Renate oder Pflegekräften benötigte und keine durchgehende Nachtruhe gewährleistet war.

 

Ebenfalls im Namen von Renate möchte ich deswegen hier ganz besonders Jans Freunden danken, die ihm auch, als er krank wurde, wahre Freunde blieben. Die ihn wie neben Bene auch Flo, Lukas und Paolo besuchten, ihn abholten und mit dem Rollstuhl ins PEP fuhren oder in den REWE um die Ecke für „wichtige Besorgungen“ und den unbeschwerten Blödsinn mit ihm trieben, der ihn seine Krankheit für eine Weile vergessen ließ. Ein „Danke“ auch denen, die auf andere Arten Kontakt zu Jan hielten.

 

Vor allem Sophia bewies ein Talent darin, insbesondere über die sozialen Medien, auf Jans Situation aufmerksam zu machen und so unter anderem den vollständigen Spendenbetrag für die Hündin Maja, die sich Jan so sehr wünschte, zu organisieren. Dass daraus trotz aller Bemühungen leider nichts wurde war ein herber Rückschlag für ihn.

 

 

In den letzten Wochen im Januar und der ersten Februarwoche fanden sich viele der regelmäßigen Besucher aus Schwabing wieder in der Leutholdstraße ein, um in einer Art unabgesprochenem Wachdienst das wiederaufzunehmen, was 14 Monate davor begonnen wurde. Kaiserschmarrn und Schokorosinen konnte er allerdings nicht mehr essen. Ich brachte immer seinen Abrisskalender mit aktuellen Geschichten auf den neuesten Stand. Das letzte Kalenderblatt, das ich ihm vorlas, handelte von dem Abenteurer und Romancier Jules Verne, dessen 190. Geburtstag gedacht wurde. Das war am 8. Februar.

 

 

Jan. Es tröstet mich, dich auch jetzt vor mir zu sehen, wie du die hier mitgebrachten Steine begutachtest, jedem eine eigene Rolle zuteilst und sie dann nach den nur dir bekannten Vorgaben zu sortieren anfängst. Und vielleicht lächelst du wieder zufrieden vor dich hin, weil du auf deiner Wolke eigentlich gerade für das Frohlocken eingeteilt warst…

 

 

 

Jubilatekirche, 26.02.2018